DIE PHASEN DER TRAUER
Trauer wird im wissenschaftlichem Diskurs in verschiedene Phasen eingeteilt. Diese Einteilung ist aber keine Festschreibung, dass die Trauerphase eine nach der anderen durchlaufen werden müssen. Diese „Phasenmodelle“ spiegeln nur Bebeachtungen an Trauernde wieder und deren häufig wiederkehrende Ausdrucksformen mit einem Trauererlebnis umzugehen.
Die meisten Modelle richten ihren Blick auf Trauernde, die mit dem Tod eines Menschen konfrontiert wurden. Da Trauererlebnisse auch andere Verlusterfahrungen von Menschen sind, können diese Modelle auch auf andere Trauererlebnisse übertragen werden.
Nachfolgend führe ich hier das Phasenmodell von J. Bowlby auf.
Erste Phase: Betäubung
In den ersten Minuten nach Empfang der Todesnachricht ist alles möglich: Schreien, Wutausbrüche, Weinen, körperliche Symptome wie Übelkeit oder Ohnmacht, Ungläubigkeit oder reglose „Versteinerung“. Oft werden heftige Reaktionen schnell „unter Kontrolle“ gebracht. Der Trauernde wendet sich den zahlreichen Sachproblemen zu, beispielsweise dem Arrangement der Beerdigung mit wahl von Sarg, Grabstelle und Blumenschmuck, der Benachrichtigung der Bekannten, Behörden- und Versicherungsmeldungen.
Zweite Phase: Sehnsucht
In dieser Phase beginnt sich der Trauernde auf die Suche nach dem verlorenen Toten: Er sucht Plätze auf, die mit Erinnerungen an den Toten verknüpft sind, liest dessen Lieblingsbücher oder betrachtet stundenlang Erinnerungsstücke und Fotos. Die Unwiderruflichkeit des Todes dringt langsam ins Bewusstsein.
Dritte Phase: Linderung durch Vermeidung
Dem Schmerz dieser Erkenntnis versucht der Trauernde, eine Zeit auszuweichen. Er leugnet den Tod, indem er beispielsweise gewohnte Gespräche mit dem Toten weiterführt, ihm den Tisch deckt oder sich weiterhin nach dessen Wünschen richtet. Schließlich bricht diese Abwehr zusammen, und der Trauernde ist seinem Elend ausgeliefert.
Vierte Phase: Desorganisation und Verzweiflung
Die oft anhaltende Zeit der Verzweiflung ist durch innere Kämpfe und große Niedergeschlagenheit gekennzeichnet. Das Weiterleben ohne den Toten scheint sinnlos, manchmal wird der eigene Tod herbeigesehnt. Vielleicht gelingt die Bewältigung des Alltags nicht mehr. Rechnungen bleiben unbezahlt, die Post wird nicht mehr geöffnet, der Trauernde kocht nicht und isst zu wenig.
Fünfte Phase: Reorganisation und Bewältigung
Die Bereitschaft, ein neues Leben zu beginnen, äußert sich beispielsweise in einem Wohnungswechsel, in der Aufnahme einer Arbeit oder im Aufbau neuer Beziehungen. Die Erinnerungen an den Verstorbenen schmerzen nicht mehr so, die mit ihm verlebte Zeit wird als Teil der eigenen Vergangenheit angenommen.
Die Autoren weiterer Phasenmodelle:
C. Murray Parkes
J. William Worden
H. R. Zielinski
A. Weismann
E. Mansell Pattison
V. Kast